Cybermobbing, gewalttätige oder sexuelle Inhalte: Im Internet ist das für Schülerinnen und Schüler fast alltäglich. Schulleiterin Mirjam Gerull sieht es deshalb als eine der wichtigsten Aufgabe der KGS Pattensen, den Jugendlichen Werte in der digitalen Welt zu vermitteln. So setzt die Schule das um.
Pattensen. „Manchmal zocke ich online mit Spielern aus dem Ausland, die ich nicht kenne. Da sind mir auch schon mal Videos mit pädophilen Inhalten zugeschickt worden.“ Das sagt ein Achtklässler der KGS Pattensen fast nebenbei, so als wäre es nichts Besonderes. Eine Klassenkameradin erzählt, dass sie bei Instagram hin und wieder auch Anfragen mit sexuellem Kontext von Unbekannten bekomme. Schulleiterin Mirjam Gerull ist nicht überrascht. „Für die heutige junge Generation ist das normal. Wir müssen darauf gesamtgesellschaftlich reagieren“, sagt sie.
Für Gerull zählt es aktuell zu den wichtigsten Aufgaben der Schule, den Schülerinnen und Schülern den Umgang mit dem Internet zu vermitteln. Dazu gehören auf der einen Seite technische Schulungen, in denen die Kinder und Jugendlichen lernen, wie sie sich und ihre Accounts schützen können. Auf der anderen Seite müssten auch Ethik und Werte für die Kommunikation in der digitalen Welt vermittelt werden. „An jeder Schule gibt es Cybermobbing. Und jede Schule hat auch schon Erfahrung damit gemacht, dass Nacktbilder von Schülerinnen und Schülern ungewollt geteilt wurden“, sagt Gerull.
Ihre eigenen WhatsApp-Texte schockieren manche Schüler
Empathie im Netz zu entwickeln sei schwieriger als im persönlichen Kontakt. „Bei einem persönlichen Gespräch sieht jeder das Gesicht des anderen. Die Reaktionen werden direkt gespiegelt“, sagt die Schulleiterin. In der schriftlichen Kommunikation seien Menschen oft hemmungsloser. Wenn Schüler bei WhatsApp in einen schlimmen Streit geraten seien, lasse die Schule die Betreffenden ihren eigenen Text häufig selbst vorlesen. Meist seien diejenigen dann so geschockt, dass „sie ihre eigenen Sätze selbst gar nicht vorlesen können“, sagt Gerull.
Um dem Mobbing entgegen zu wirken, setzt die Schule auf das persönliche Gespräch. „In jeder Klasse gibt es einmal pro Woche einen Schülerrat, in dem Probleme jeder Art angesprochen werden können. Manchmal kommen Schülerinnen und Schüler auch von sich aus zu uns und machen uns auf entgleiste Chatverläufe aufmerksam“, sagt Gerull. Für sie ist es auch keine Frage, dass neben den Eltern auch die Schule zuständig ist, selbst wenn böse WhatsApp-Nachrichten außerhalb der Schulzeit geschrieben wurden. „Das trägt sich ja in den Unterricht und das Schulleben fort“, sagt sie.
Das Internet kann Ängste der Jugendlichen verstärken
Gerull sagt, dass Schüler über das Netz sehr leicht Zugriff auf gewalttätige oder sexuelle Inhalte haben. „Und wenn Menschen rohe Gewalt sehr häufig sehen, stumpft das irgendwann ab“, sagt sie und warnt vor einer Verrohung der Gesellschaft. Häufig wirke das Internet nur als Verstärker ohnehin schon bestehender Ängste. Die aktuelle Generation sei mit vielen Krisen konfrontiert – vom Klimawandel, über die Inflation bis zu einem Krieg, der sehr nah dran ist. „Wir haben Schülerinnen und Schüler, die offen im Unterricht über ihre Angst sprechen, dass ihre Eltern irgendwann nicht mehr den Strom oder die Heizung bezahlen können. Auch daüber reden wir dann natürlich.“
Ein weiteres Problem sei auch, dass Erwachsene häufig gar nicht mitbekommen, mit welchen Inhalten Kinder und Jugendliche im Internet teilweise konfrontiert seien. Da nimmt Gerull auch die Lehrkräfte nicht aus. „Wir haben hier ein sehr junges Kollegium. Mit meinen 38 Jahren zähle ich fast schon zu den Älteren“, sagt Gerull. Viele Lehrkräfte seien mit sozialen Netzwerken und gewissen Mechanismen im Netz durchaus vertraut. „Doch auch wir können nicht auf allen Plattformen unterwegs sein“, sagt Gerull. Sie habe sich zum Beispiel nur deshalb bei TikTok angemeldet, um über die dort jeweils aktuellen Challenges informiert zu sein. Dabei handelt es sich um eine Art von Mutproben, die weltweit in einigen Fällen auch schon tödliche Folgen hatten.
Schülerinnen und Schüler müssen ihre Handys abgeben
Zuletzt sollen die Smartphones auch zunehmend den Unterricht gestört haben. Immer mehr Kinder und Jugendliche hätten auch während der Stunden regelmäßig darauf geschaut, sagt Gerull. Dafür hat die Schule jetzt allerdings eine Lösung gefunden: Handy-Garagen. Alle Schüler von Jahrgang fünf bis zehn müssen zu Beginn der Unterrichtsstunde ihre Smartphones abgeben. Am Ende bekommen sie sie zurück. Die Entscheidung wurde in der Gesamtkonferenz der Schule gefällt, zu der auch Eltern gehören.
Ein Achtklässler ist nicht so begeistert davon. „Ich habe deshalb mein Handy schon mehrfach hier in der Schule vergessen“, sagt er. Mehrere Schülerinnen aus dem zehnten Jahrgang loben die nach den Sommerferien eingeführte Regelung jedoch. „Ich merke, dass ich ruhiger und konzentrierter bin. Sonst war immer der Drang da, auf das Handy zu schauen“, sagt eine von ihnen.
Text/Bild: Tobias Lehmann (HAZ)