An der KGS Pattensen ist es normal: Die Neuntklässler gehen kurz nach den Sommerferien auf zweiwöchige Herausforderungstour. Nach der Rückkehr schilderten sie von ihren wertvollen Erfahrungen.
Pattensen-Mitte. Plötzlich wurde es dunkel. Und der geplante Schlafplatz in einer Kirche war noch rund sieben Kilometer entfernt. Der Weg führte zudem durch einen schlecht beleuchteten Wald. Was also tun? Die vierköpfige Gruppe mit den Neuntklässlern Bennet (14), Ben und Julius (beide 13) der KGS Pattensen sowie Begleiter Niklas Teichgräber stand im Ort Graben-Neudorf nördlich von Karlsruhe. „An sechs Türen bekamen wir keine Hilfe“, sagte Bennet. Ratlosigkeit setzte bei ihm und den Mitschülern ein. Da öffnete eine Frau im nächsten Haus ihr Fenster. Nach kurzem Austausch bot sie der Gruppe ihr Wohnzimmer als Schlafplatz an. „Am nächsten Morgen bekamen wir sogar noch Frühstück von ihr“, sagte Ben.
Der Schüler zog ein überaus positives Fazit für die zweiwöchige Tour im Rahmen des Schulprojekts Herausforderung. „Das war eine sehr wertvolle Erfahrung für uns“, sagte er. „Es hatte erst einiges an Überwindung gekostet, bei fremden Leuten an der Tür zu klingeln und um Hilfe zu bitten“, sagte Julius. Eine Herausforderung sei zudem gewesen, sich in der Gruppe zu arrangieren. „Einer wollte mal eine Pause machen, als die anderen noch fahren wollten“, sagte Ben. Dann herrschte teils Eiszeit. „Nach ein, zwei Stunden haben wir aber wieder normal miteinander gesprochen“, sagte Bennet.
Früherer Regionalliga-Fußballer Niklas Teichgräber begleitet Pattenser KGS-Schüler
Die Gruppe hatte die Route im Vorfeld selbst ausgearbeitet. Der begleitende Erwachsene, der 27-jährige frühere regionsbekannte Fußballer Niklas Teichgräber (Hannover 96 II, TSV Havelse) hatte die Anweisung, nur in Notsituationen einzugreifen. „Natürlich fällt es einem schwer, nichts zu sagen, wenn man selber sieht, dass sie jetzt falsch abgebogen sind“, sagte Teichgräber. Auch für den Lehramtsstudenten, der dies als praktischen Teil seiner Ausbildung nutzte, sei es eine schöne Erfahrung gewesen. „Das war cool und hat Spaß gemacht“, sagte Teichgräber.
Erstmals hatte sich auch eine Gruppe an Hauptschülern auf Tour begeben. Das hatte es in der Vergangenheit noch nicht gegeben. Immer wieder seien die Vorhaben am mangelnden Durchhaltevermögen oder der fehlenden Struktur sowie auch teils an den Widerständen der Eltern gescheitert. „Bislang hatte es keine Gruppe geschafft, tatsächlich loszufahren. Diese hat jetzt Durchhaltevermögen bewiesen“, sagte Sozialpädagogin Sylvia Mizera.
Brötchen holen und Eier kochen
Doch auch bei der Fahrt, die der KGS-Sozialpädagoge Andres Aguas begleitete, lief nicht alles reibungslos – zumindest nicht von Beginn an. Wer holt Brötchen, wer kocht die Eier? Und wer kümmert sich um Getränke? Die Organisation des Frühstücks sei in den ersten Tagen tatsächlich eine große Herausforderung gewesen. „Das war anfangs eine Katastrophe. Aber: Am letzten Tag stand ich auf und es war alles perfekt vorbereitet“, sagt Aguas.
Die Fahrt nach Buxtehude hat sogar nachhaltig etwas bewirkt: „Ein Junge hatte sich immer um die Eier gekümmert. Nach der Rückkehr bekochte er erstmals auch seine Eltern zu Hause und erzählte es mir anschließend stolz“, sagt Aguas. „Es ist schön, zu sehen, was die Jungs für eine positive Entwicklung genossen haben“, sagt der Sozialpädagoge. Die große Erkenntnis sei gewesen: Wir können etwas schaffen, wenn wir es wollen.
Pattensens Bürgermeisterin Ramona Schumann (SPD) unterstützt das Projekt. „Was die Schüler jetzt erlebt haben, waren für mich früher als Pfadfinderin normale Ferien“, sagte sie. „Es ist sehr wertvoll für die Entwicklung. Wir tun gut daran, den Kindern Freiheiten zu lassen“, sagte sie. Zudem sei es förderlich, „die Kinder aus ihrer Komfortzone zu holen“.
Text/Bilder: Mark Bode (HAZ)