So hatte sie in Abstimmung mit dem Kollegium entschieden, dass ab dem bald beginnenden Schuljahr alle Fünftklässler keine Handys während der Schulzeit nutzen dürfen. In allen anderen Jahrgängen der Sekundarstufe I gilt, dass während des Unterrichts die Handys der Schüler in sogenannten Handygaragen verschwinden. „Selbst, wenn das Handy bei den Kindern in der Tasche ist, lenkt es sie ab. Es vibriert oder sie rennen häufiger auf die Toilette, um schnell auf ihr Handy zu schauen“, sagt Gerull.
Die Schüler haben allerdings die Chance, die Handys in den Pausen zurückzubekommen. Allerdings ist das an den Grad der Sauberkeit auf dem Schulgelände geknüpft. Die Verschmutzungen mit Toiletten ist schon seit langer Zeit ein Problem. Auch Müll auf dem Schulhof oder in den Gängen ist ein weiteres Kriterium. Gerull stimme sich diesbezüglich mit den Hausmeistern ab und entscheidet dann, ob nun eine rote, gelbe oder grüne Woche ansteht. Das bedeutet: Ist alles sauber – also grün – dürfen die Schüler in den Pausen die Handys nutzen und vom Schulbudget gehen 200 Euro in die Kasse der Schülervertretung. Bei einer gelben Woche ist der Verschmutzungsgrad noch nicht dramatisch. Handynutzung ist dann weiter gestattet, doch es gibt kein Geld. Bei einer roten Woche bleiben die Smartphones während der Schulzeit in den Handygaragen und Geld gibt es natürlich auch nicht.
Die Rückmeldungen, die Gerull erhält, seien nach roten Wochen überaus positiv. Das gilt für Schüler und Eltern gleichermaßen. „Die Kinder spielen dann mehr, beschäftigen sich mehr miteinander. Und sie erzählen zu Hause mehr“, sagt sie. Das fällt den Eltern oft umgehend auf. Deshalb bekomme sie häufig zu hören, dass es mehr rote Wochen geben sollte. Kritik am Handyverbot höre Gerull nicht, sagt sie. „Eltern sagen höchstens, dass sie die Kollektivstrafe nicht gut finden, wenn ihr Kind gar nichts gemacht hat“, sagt die Schulleiterin. Doch dann kontert sie, dass auch das Kind den herumfliegenden Müll nicht aufgehoben und in den Mülleimer gesteckt hat.
Sie plant nun noch weitere Schritte, die aus ihrer Sicht unumgänglich sind und noch nicht das Ende der Fahnenstange bedeuten müssten. So sei die IT-Abteilung dabei, das Wlan-Netz so einzurichten, dass private Handys keinen Zugang mehr erhalten sollen. Und auch die Tablets, die im Unterricht genutzt werden, sollen so programmiert werden, dass auf diesen Geräten keine Spiele und auch soziale Netzwerke nicht mehr nutzbar sind. Gerull sieht die Entwicklung als schlimm und besorgniserregend an. „Wir können das so nicht weiter laufen lassen. Natürlich ist die Situation für Eltern schwierig, weil sie unter einem Gruppenzwang stehen. Wenn alle anderen Kinder das Handy nutzen, aber ihres nicht, wird es schwierig.“
In der Aula der Schule hatte deshalb kürzlich Dietrich Riesen von der Fachstelle Mediensucht „return“ aus Hannover mit dem Vortrag „Jetzt leg doch mal dein Handy weg“ Eltern Tipps für einen gesunden Medienkonsum ihrer Kinder gegeben. Der Erzieher, Jugendreferent und Systemische Berater hatte dabei viele Fragen beantwortet.
▶ Ab welchem Alter sollten Kinder ihr erstes eigenes Smartphone bekommen?
Grundschüler sollten laut Riesen noch kein eigenes Smartphone haben. Um etwa mit Mitschülern zu chatten, könnten sie das Gerät von ihren Eltern nutzen. Je nach Reifegrad können Kinder zwischen der fünften und achten Klasse ihr erstes Smartphone bekommen. „Damit wird jedoch vieles komplizierter“, warnt der Erzieher. „Die Kinder können damit Pornos sehen, Snapchat, Tiktok und Co. nutzen.“ Viele seien damit überfordert. „Ihre Konzentrations- und Beziehungsfähigkeit kann darunter leiden.“
▶ Wie lange sollten welche Altersgruppen Medien nutzen dürfen?
Eine Altersangabe wird Kindern laut Riesen nicht gerecht. „Manche kommen mit zwei Stunden Computerspielen am Tag gut klar, für andere im gleichen Alter ist bereits eine Stunde zu viel.“ Entscheidend sei es, den Reifegrad des Kindes individuell einzuschätzen und die Medienverfügbarkeit dem anzupassen.
▶ Wie können Eltern den Medienkonsum ihres Kindes regulieren?
Bei jüngeren Kindern sollten sie einen Filterschutz installieren, mit dem bestimmte Seiten gesperrt werden. Auch Absprachen, das Smartphone nicht mehr abends im eigenen Zimmer zu nutzen, seien sinnvoll. Wenn die Verantwortungsfähigkeit des Kindes wächst, könnten die Einschränkungen gelockert werden.
▶ Woran können Eltern erkennen, ob der Medienkonsum ihres Kindes zu viel ist?
Wenn das Kind noch realen Hobbys nachgeht, sich mit Freunden trifft und analog spielt, ist laut Riesen alles okay. Wenn es immer weniger in der realen Welt unterwegs ist, Freunde, Hobbys und Verpflichtungen wie Schule oder Ausbildung vernachlässigt, sollten Eltern stutzig werden.
▶ Welche Medien bergen das größte Suchtpotential?
„Mädchen nutzen vor allem soziale Medien wie Snapchat und Instagram“, sagt Riesen. „Sie wollen gesehen werden und sich darstellen.“ Jungs seien eher im Bereich Computerspiele und Pornografie gefährdet. „89 Prozent der Zehn- bis 13-Jährigen haben schon Pornos gesehen“, sagt Riesen. Das sei erschreckend.
▶ Wann können Jugendliche selbst Verantwortung übernehmen?
Ab 16 Jahren sollten Eltern beginnen, loszulassen. Den Jugendlichen sollte mehr Verantwortung übertragen werden. Eltern sollten Wertekonflikte aushalten und nicht an alten Grenzen festhalten oder den Jugendlichen drohen, weil sie damit die Beziehung gefährden. „Auf der anderen Seite sollten sie ihre Serviceleistungen einstellen und ihr Kind etwa selbst kochen oder seine Wäsche waschen lassen.“ Sie sollten das Zusammenleben wie in einer WG gestalten.
▶ Was können Eltern tun, wenn sich ihr Kind nicht an Vereinbarungen hält?
Sie sollten nicht impulsiv reagieren, sondern fragen, warum das so ist und was ihr Kind an den bestimmten Seiten oder Spielen so fasziniert. Altersentsprechend sollten sie gemeinsam mit ihm Medienzeiten nachvollziehbar gestalten, die dann konsequent eingehalten werden.
▶ Wo finden Eltern Hilfe?
Die Fachstelle Mediensucht „return“ in Hannover bietet Beratungen für Eltern und Jugendliche bis 21 Jahre an. Terminvereinbarungen sind donnerstags von 10 bis 12 Uhr unter Telefon (0511) 48974650 sowie per E-Mail an info@return-hannover.de möglich. Weitere Informationen gibt es im Internet unter der Adresse www.return-mediensucht.de.
Text: Stephanie Zerm und Mark Bode (HAZ), Bild: Susanne Farkhar