Pattensen-Mitte. Berührungsängste hat Raik nicht: Der 15-jährige Schüler der KGS Pattensen öffnet das kleine Terrarium. Er hebt einen kleinen Ast an. „Sie sitzt gerne darunter“, sagt Raik. Behutsam nimmt er die kleine Kornnatter auf eine Handfläche. „Das ist eine Würgeschlange“, sagt Raik. „Es ist schon außergewöhnlich, so eine Schlange hier zu haben. Die darf nicht jeder einfach so anfassen“, sagt er weiter. Raik darf es. Er engagiert sich in der kürzlich neu entstandenen Dschungel-Oase an der KGS. Neben der Kornnatter namens „Nugget“ leben nun auch vier Wellensittiche, zwei Kaninchen und mehrere kleine Fische in der Schule.
Die verantwortlichen Lehrer versprechen sich gleich mehrere positive Effekte vom neu geschaffenen Raum. „Es soll ein Raum der Ruhe sein“, sagt die zuständige Lehrerin Lena Hausadel. Der Raum stehe allen Schülerinnen und Schülern als Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung. Allerdings dürfen es maximal sieben gleichzeitig sein, die sich in der Dschungel-Oase aufhalten. Dass die Anzahl der Personen im Raum begrenzt ist, begrüßt Raik. „Tiere haben Stress, wenn es laut ist“, sagt er. „Das Tierwohl wird ganz groß geschrieben“, betont Hausadel. In dem Raum können die Schüler auf einer Couch sitzen, bei gedämpftem Licht und leisen Pianoklängen aus Lautsprechern die Ruhe genießen. „Sie können mit den Tieren entspannen“, sagt Hausadel. Allerdings gilt grundsätzlich: Nur gucken, nicht anfassen. Wer die Kaninchen aber gerne streicheln möchte, benötigt dafür vorab ein Okay von den Erziehungsberechtigten.
Tier-AG sorgt für die Pflege
Für die Pflege sind die Schüler der Tier-AG der Schule zuständig. Die elfjährige Amelie betreut beispielsweise die Kaninchen. „Ich habe zu Hause eine Katze“, sagt die Schülerin. Sie habe aber auch mit den Langohren ihre Freude. „Man muss regelmäßig deren Klo reinigen und sie füttern“, sagt Amelie und reicht den hoppelnden Tieren mit den Namen „Livi“ und „Lias“ im Käfig jeweils eine Karotte. Weitere Möhren steckt Amelie in eine spezielle Halterung. An diesen können die Tiere später herumknabbern, wenn sie nicht mehr vor Ort ist.
Hausadel verspricht sich von der Arbeit mit den Tieren, dass die Schüler lernen und verstehen, was es bedeutet, Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen. „Klar, man muss sich um das Tier kümmern“, sagt Raik. Er hat einen festen Ablaufplan für den Umgang mit der Kornnatter: Spätestens alle drei Tage soll sie frisches Wasser bekommen. „Einmal in der Woche kriegt sie auch eine Maus“, sagt der Schüler. „Wir geben ihr aber kein Lebendfutter“, fügt Hausadel schnell hinzu. Bei der Maus für die noch junge Schlange handelt es sich um tiefgekühlte junge Mäuse – sogenanntes Frostfutter.
Für Andreas Ulrich, den stellvertretenden Schulleiter, erfüllt die Dschungel-Oase noch eine weitere Funktion – nämlich eine soziale. „Die Tiere dienen als Türöffner für Kinder, die einsam sind, die andere Emotionen haben, die sich anders offenbaren.“ So könnten Schüler zunächst Vertrauen zu den Tieren entwickeln, später falle es ihnen womöglich leichter, sich auch gegenüber anderen Menschen zu öffnen.
Die Umgestaltung des wenig genutzten früheren Jugendraumes und die neue Ausstattung mit Käfigen, Aquarium und Terrarium hat laut Pattensens Fördermittelmanager Felix Kostrzewa etwa 9000 Euro gekostet. Das Geld dafür stammt aus dem „Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit. Das Bundesfamilienministerium hat der Kommune insgesamt 115.000 Euro zur Verfügung gestellt. Damit wurden in diesem Jahr unter anderem ein Graffitiprojekt an der KGS-Turnhalle und die Solarkinos „Cinema del Sol“ in mehreren Ortsteilen im Sommer ermöglicht. Über die Verwendung hatten Kinder und Jugendliche im Zukunftsausschuss selbst entschieden.
Text/Bild: Mark Bode (HAZ)