So zeichnen Pattenser KGS-Schüler die Geschichte eines deportierten Juden multimedial nach (HAZ vom 09.11.23)

So zeichnen Pattenser KGS-Schüler die Geschichte eines deportierten Juden multimedial nach (HAZ vom 09.11.23)

Zum Gedenken an die Pogromnacht vom 9. November 1938 haben Schülerinnen und Schüler der Ernst-Reuter-Schule eine multimediale Ausstellung über die Verfolgung der Juden in Pattensen erarbeitet. Sie ist in der KGS Pattensen und im Gemeindehaus von St. Lucas zu sehen.

Pattensen-Mitte. Wie wichtig ist das Gedenken an die Reichspogromnacht von 1938 und die von den Nationalsozialisten organisierte Gewalt gegen Juden im Deutschen Reich heute noch? Wie sehr beschäftigen die damaligen Taten Schülerinnen und Schüler, und wie können die 85 Jahre zurückliegenden Geschehnisse zeitgemäß vermittelt werden? Der Religionskurs aus dem 13. Jahrgang der Ernst-Reuter-Schule hat sich mit diesem Thema beschäftigt und eine multimediale Ausstellung erarbeitet, die die Geschehnisse anhand der Biografie einer einzelnen Person in Erinnerung rufen sollen.

Die Schülerinnen und Schüler orientieren sich an den Schilderungen des Hildesheimers Fritz Schürmann, dessen Verwandte Elsa, Albert, Hans und Walter Schürmann bis zur Pogromnacht in Pattensen lebten. „Fritz Schürmann war damals 23 Jahre alt“, sagt Schülerin Mia Oehlsen. Er wurde unter anderem ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. „Er hat überlebt und ist später über einen Freund nach England und Amerika geflüchtet.“ Sein Onkel Albert Schürmann und dessen Familie wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

„Wir wollten die damaligen Ereignisse anhand eines spezifischen Schicksals mit Bezug zu Pattensen darstellen“, sagt Mia Oehlsen. „Man ist dadurch viel näher an dem Thema dran.“ Auf Schürmann ist der Kurs über die Internetseite pattensen-geschichte.de gestoßen, auf der Dirk Anders unter anderem Informationen über Juden in Pattensen bereitstellt.

Für die Ausstellung hat der Kurs unter anderem Briefe, Tagebucheinträge, Fotos und Gedichte aufgearbeitet und Auszüge aus Schürmanns Texten mit einem Rekorder aufgenommen, die per QR-Code abrufbar sind. „Jeder kann sich dem Thema dadurch in seinem eigenen Tempo annähern“, sagt Referendarin Inga Stolley, die das Projekt zusammen mit den Lehrerinnen Jennifer Jollet und Jessica Sommerfeld begleitet.

„Man darf die Sensibilität nicht verlieren.“

„Ich halte es nach wie vor für wichtig, dass wir in der Schule etwas zu dem Thema machen“, sagt Tim Berndt. „Jeder weiß, dass der 9. November ein prägnantes Datum ist.“ Die Themen Holocaust und Zweiter Weltkrieg seien aber nicht ständig präsent. Die Pogromnacht sei ein Anlass, daran zu erinnern. „Es lassen sich auch Bezüge zu aktuellen Ereignissen herstellen“, sagt der 18-Jährige mit Blick auf den Nahostkonflikt.

„Wir sind der Meinung, dass das Gedenken auch nach 85 Jahren noch wichtig ist“, betont sein Mitschüler Leonard Ingles. „Die Pogromnacht gehört zum schwärzesten Kapitel in der deutschen Geschichte. Bald wird es aber keine Zeitzeugen mehr geben, die darüber berichten können.“ Daher werde es zukünftig noch schwerer, sich an die Ereignisse zurückzuerinnern. Mit der aktuellen Ausstellung will der Kurs das Thema auf zeitgemäße Weise erfahrbar machen. „Man darf die Sensibilität nicht verlieren.“

Polizei begleitet Gedenken

„Für die Ausstellung in der Schule können Klassen einen Slot buchen“, sagt Mia Oehlsen. Im Gemeindehaus von St. Lucas können sich Interessierte die Ausstellung ebenfalls anschauen. In der Schule ist diese im Raum A109 bis zum 17. November zu sehen. Im Gemeindehaus von St. Lucas am Corvinusplatz sogar bis Sonntag, 19. November.

Die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich zudem an einer ökumenischen Andacht, die am 9. November um 18.30 Uhr in der St.-Lucas-Kirche beginnt. „Wegen der besonderen Aktualität des Themas Antisemitismus ist Petra Bahr, die Regionalbischöfin des Kirchensprengels Hannover, zu Gast und wird auch die Predigt halten“, sagt Pastor Martin Funke. Zudem wirken Superintendent Andreas Brummer und der katholische Pastor Roland Hermann an dem Gottesdienst mit. Im Anschluss beginnt der Gedenkmarsch zur ehemaligen Synagoge.

„Wir gehen davon aus, dass das Gedenken am Donnerstag friedlich verlaufen wird“, sagt Stadtsprecherin Andrea Steding. Dennoch wird die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen erstmals von der Polizei begleitet. „Uns liegen allerdings keine Erkenntnisse auf mögliche Störungen vor“, sagt Christian Krone, Leiter des Polizeikommissariats Springe.

Text/Bild: Daniel Junker (HAZ)