Berufsorientierung auf Augenhöhe (HAZ vom 30.09.23)

Berufsorientierung auf Augenhöhe (HAZ vom 30.09.23)

Die Talent Company der KGS Pattensen war lange nur ein theoretisches Konstrukt. Seit den Sommerferien erhalten die Schülerinnen und Schüler nun Hilfe bei der Berufsorientierung von Arbeitgebern vor Ort. Wir haben einen dieser Besuche begleitet.

Pattensen-Mitte. In der großen Gruppe versuchen einige Schülerinnen und Schüler, ihre Anspannung oder Nervosität mit Gekicher und Albernheiten zu überspielen. Doch beim entspannten Gespräch in kleiner Runde auf dem gemütlichen Sofa in der Ecke werden die Schüler schließlich mutiger, stellen gezielt Fragen. Es kommt zu einem wertvollen Austausch, für den neben Maike-Elena Weisweiler, der Ausbildungsbeauftragten des Unternehmens JRS Prozesstechnik, auch der gerade ausgelernte Rene Witt und die neue Auszubildende Emily Waldt sorgen. „Das ist Berufsorientierung auf Augenhöhe“, sagt Sylvia Mizera, Sozialpädagogin an der KGS Pattensen.

Für Witt und Waldt sei die Rückkehr zur alten Schule einerseits komisch, andererseits aber auch schön. Der 19-Jährige, der hier seinen erweiterten Realschulabschluss absolviert hat, findet es „sehr wertvoll, jetzt Jüngeren etwas mitgeben zu können. Die Talent Company ist dabei sicher ganz hilfreich“, sagt er. Er hätte sich diese moderne Form der Berufsorientierung in dem schicken, rund 160 Quadratmeter großen Raum schon früher gewünscht. Selbst sei er von seinen Eltern immer motiviert worden, sich frühzeitig um einen Ausbildungsplatz zu kümmern. „Aber das ist ja nicht bei allen Jugendlichen so“, sagt Witt.

„Hier können wir locker quatschen“

In der Talent Company erhalten alle Schüler die Möglichkeit, sich über Berufsmöglichkeiten zu informieren. „Sie können am Computer selbst recherchieren oder das Gespräch mit uns suchen“, sagt Mizera. Sie und der zweite Schulsozialpädagoge Andreas Wolf sind regelmäßig vor Ort und bieten Bewerbungstraining an. Und darüber hinaus laden sie in regelmäßigen Abständen Vertreterinnen und Vertreter von Firmen ein, die in der Schule Fragen der Schüler beantworten und eben von den verschiedenen Berufen in den jeweiligen Betrieben berichten.

In den nächsten Wochen werden das die Stadt Pattensen sowie der Konzern Lidl sein. „Wenn ich persönlich zu einem Betrieb gehen müsste, wäre ich sicher etwas schüchtern“, sagt der 16-jährige Emin. „Hier können wir locker ein wenig quatschen. Das hilft uns“, ergänzt sein gleichaltriger Mitschüler Berin. „Die Hemmungen sind hier deutlich geringer. Die Schüler sind in ihrer gewohnten Umgebung“, sagt Mizera.

Auszubildende berichten Schülern vom Berufsleben

Die Jungen schätzen den Austausch mit Witt, Waldt und auch Weisweiler. Die beiden ehemaligen Schüler berichten mit ungefilterten Worten von ihren Erfahrungen in der Berufsschule und besonderen Herausforderungen im Bereich Mathe, von zwischenzeitlichen Zweifeln während der Ausbildung, vom frühen Aufstehen um 4.30 Uhr und vom Verdienst zwischen 1200 und 1400 Euro. Emin und Berin hören interessiert zu und fragen vorsichtig bei Weisweiler nach: „Ist es schon zu spät, um eine Bewerbung zu schicken?“ Die umgehende Antwort der Ausbildungsbeauftragten, die den beiden Schülern die Arme weit öffnet: „Nein, immer her damit!“

Emin erzählt, dass er bereits ein Praktikum als Kfz-Mechatroniker absolviert habe. „Das hatte ich mir besser vorgestellt“, sagt der 16-Jährige. Die Vielfalt an Jobmöglichkeiten sei zudem etwas überfordernd. „Es ist kein Problem, bei uns einen Mix von mehreren Berufen kennenzulernen“, sagt Weisweiler. Der 15-jährige Emirhan, der bei der kürzlichen Azubi-Messe der KGS auf JRS aufmerksam wurde und prompt seine Bewerbung abgeschickt hatte, fragt vorsichtig nach, ob auch er in mehrere Jobs schnuppern könnte, statt sich nur auf den Beruf als Elektriker zu fokussieren. „Klar, kein Problem“, sagt Weisweiler locker. Mizera hört aus einiger Entfernung zu und lächelt. Für sie zeige diese positive Entwicklung, dass die rund zwei Jahre dauernde Phase der Planung und Sponsorenakquise für die Talent Company den Stress wert war.

Text/Bild: Mark Bode (HAZ)