Welche Berufe gibt es und welche Ausbildung soll ich machen? Diese Frage stellen sich jedes Jahr viele Heranwachsende. Den richtigen Überblick zu bekommen, ist seit der Corona-Pandemie besonders schwer geworden. Umso wichtiger sind berufsorientierende Angebote wie die vierte Azubi-Messe an der Ernst-Reuter-Schule (KGS) in Pattensen.
attensen. Weniger Fachkräfte, weniger Nachwuchs: Viele Branchen leiden ohnehin an Personalproblemen und bekommen zudem ihre Ausbildungsplätze nicht besetzt. Corona hat Jugendliche bei der Auswahl ihres Berufes zögerlicher gemacht, weil lange Zeit berufsorientierende Angebote fehlten. Mit der erstmals seit Beginn der Pandemie wieder ausgerichteten Azubi-Messe an der KGS Pattensen haben 600 Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge neun bis 13 am vergangenen Donnerstag die wichtige Chance auf einen Einblick in 20 regionale Unternehmen bekommen.
An den Ständen in der KGS-Aula ist ein breiter Branchenmix vertreten, der den Jugendlichen die Berufsvielfalt direkt vor der Tür, also in Pattensen und in der Region, zeigt. Unter anderem stellen sich Unternehmen wie Mobile vor, Avacon, Rewe, Sparkasse und Volksbank, Calenberger Backstube, Leine-Hotel und der Caterer „vomfeinsten“. Auch die Stadt Pattensen als Ausbilder ist vertreten. Um sich den Schülerinnen und Schülern möglichst ansprechend darzustellen, lädt jeder Aussteller mit einer praktischen Übung zum Mitmachen ein.
Erzieher und Soldaten
Es sind offene, ehrliche Gespräche, die hier geführt werden. Am Tisch des Mobile-Kindergartens versucht sich eine Mädchengruppe im Stapeln kleiner Plastikstühle, während sie nebenbei von Mathew Chapman erfährt, dass man für die Ausbildung im Kindergarten vor allem Freude am Umgang mit Kindern haben muss. „Ohne geht es nicht, sonst ist man hier falsch“, betont der Erzieher. Ehrliche Worte gibt es auch am Stand der Bundeswehr. Nur 30 bis 40 Prozent der Auszubildenden würden nach ihrem Abschluss übernommen, heißt es. Doch es bliebe dann noch die Möglichkeit, sich für die Soldatenlaufbahn zu entscheiden, wenn man bei der Bundeswehr bleiben wolle.
Für Vincent klingt das alles sehr interessant. Er ist in der zehnten Klasse und weiß schon genau, was er machen will. „Ich will Zimmerer oder Dachdecker werden, einen Betrieb habe ich schon gefunden“, sagt der 15-Jährige. Er könne sich aber vorstellen, im Anschluss an die Ausbildung den Grundwehrdienst bei der Bundeswehr zu absolvieren. Vorbild seien Familienmitglieder, die ebenfalls bei der Bundeswehr waren. „Mich reizt die Selbstdisziplin, die man als Soldat aufbringen muss. Körperlich und geistig fit zu bleiben ist eine gute Hilfe fürs Leben.“
Sein Schulkamerad Tom weiß noch nicht, welchen Beruf er einmal ausüben möchte. „Darum ist die Messe hier heute sehr praktisch, um sich zu informieren“, findet der ebenfalls 15-Jährige. Wie ihm geht es an diesem Tag offenbar vielen. Nach Meinung der Organisatoren ist daran vor allem die Pandemie-Zeit schuld. „Wir erleben, dass sich die Schülerinnen und Schüler schwertun nach Corona, es besteht mehr Unsicherheit“, sagt Schulleiterin Mirjam Gerull. Lange hätten keine berufsfindenden Angebote wie dieses stattfinden können. Stattdessen standen in den vergangenen Jahren Jugendliche schon bei der Kontaktaufnahme zu Betrieben vor der ersten Hürde. „Allein die Praktikumssuche ist schwer, es bestehen außerdem Hemmungen, sich aktiv zu informieren, noch dazu im Internet“, erklärt Agnieszka Heubaum, Fachbereichsleiterin Nachhaltige Ernährung- und Wirtschaftslehre (NEW) an der KGS.
Die Kompetenzen schulen
Die Azubi-Messe bietet den Schülerinnen und Schülern hingegen ein niedrigschwelliges Angebot. Sie müssen nirgends extra hingehen, sondern bleiben in ihrer gewohnten Umgebung. Dabei sollen sie auch Praxiserfahrung gewinnen im Umgang mit den Firmen. „Das ist ein großer Mehrwert: Sie müssen keine Nummern raussuchen, sondern schulen ihre Kompetenzen und lernen neue Menschen und Betriebe kennen“, beschreibt Heubaum. Es sei zudem eine Win-Win-Situation: „Auch für die Betriebe ist das eine gute Möglichkeit, denn auch sie müssen ihr Verhalten ändern. Sonst findet man nicht zueinander.“
Georg Könecke vom Caterer „vomfeinsten“ kann das bestätigen. „Man muss heute anders um Azubis werben, über die Zeitung und Ähnliches funktioniert das nicht mehr“, sagt der Projektleiter. Eine Vielzahl der Bewerber beziehe das Unternehmen mittlerweile aus dem erweiterten Familien- und Bekanntenkreis und über die bereits angestellten Azubis. Der Caterer nutzt an diesem Tag auch seine Chance, um mit dem „Trugschluss“ aufzuräumen, ein Caterer liefere nur Essen aus. „Wir sind so viel mehr. Wir sind europaweit unterwegs, dafür braucht es Logistiker. Es gibt Eventköche, die Belieferung von Schulen und Kitas, den Verkauf, die Buchhaltung. In allem bilden wir aus, wir haben ein eigenes Personalunternehmen.“
Nach Abschluss der Messe will Organisatorin Heubaum die Erfahrungen des Tages mit den Jugendlichen aufarbeiten. Im besten Fall dürften demnächst schon einige der Schülerinnen und Schüler einen Praktikums- oder Ausbildungsvertrag in der Tasche haben. „Nach jeder Messe“, so nennt sie das, „haben wir stets Matches.“
Text/Bild: Sarah Istrefaj (HAZ)