KGS: Neue Wege bei Berufsorientierung (HAZ vom 03.06.23)

KGS: Neue Wege bei Berufsorientierung (HAZ vom 03.06.23)

Ernst-Reuter-Schule und Strahlemann Stiftung eröffnen sogenannte Talent Company
 
Pattensen-Mitte. Die Nervosität war groß bei den Verantwortlichen der Ernst-Reuter-Schule. „Es war nicht klar, ob die Möbel rechtzeitig kommen“, sagte Inka Hofer, Leiterin des KGS-Realschulzweigs. Diese kamen aber rechtzeitig und standen zur lange geplanten Eröffnung am Nachmittag des 1. Juli an ihrem Platz. „Kurz vor dem Eintreffen der Gäste hatte ich noch den Staubsauger in der Hand. Es war eine Punktlandung“, sagte die Lehrerin. Somit lief die Eröffnung der sogenannten Talent Company, einem modernen Raum für Berufsorientierung, reibungslos. Doch es dauert noch, bis Schülerinnen und Schüler den Raum nutzen können.

Zur Eröffnung waren zunächst einmal Erwachsene geladen. „Schick“, sagte Kai Oppenborn, Geschäftsführer der Calenberger Backstube. „Das Projekt ist eine richtig gute Idee“, sagte der Malermeister Mathias Reinsch. Er selbst hatte die Talent Company unterstützt, indem er an einem Wochenende im April gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern den Raum neu strich. „Es ist jetzt schön geworden“, ergänzte er.

Als „toll gestaltet“ bezeichnete Avacon-Kommunalreferent Ralf Baumgarten den Raum. Pattensens Bürgermeisterin Ramona Schumann (SPD) nannte es ein „Leuchtturmprojekt“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban sagte: „Die gesamte Region ist neidisch auf die KGS Pattensen.“ Schirmherr Per Mertesacker schickte eine Videobotschaft aus London: „Man weiß oft nicht, was man beruflich alles machen kann. Da ist es wichtig, so eine tolle Möglichkeit zu schaffen.“

Doch was erwartet die Schülerinnen und Schüler in dem neuen Raum? Zunächst einmal: viel Platz. 180 Quadratmeter ist der Raum groß. „Es ist der größte und auch der schönste Raum, den ich jemals gesehen habe“, sagte Andreas Hofer, Projektleiter für die Talent Company bei der Strahlemann Stiftung. Diese hat den Raum in Kooperation mit der KGS eingerichtet und begleitet die Schule nun noch drei Jahre.

„Oft wird die Berufsorientierung irgendwo in einen kleinen Nebenraum gesteckt“, fügte Ingo Koch hinzu, Vorstandsmitglied der Strahlemann Stiftung. In Pattensen hätten die Verantwortlichen viel Liebe zum Detail bewiesen. „Wir wollten eine Wohnzimmeratmosphäre schaffen, damit die Schüler auch gerne in diesen Raum kommen“, sagte Inka Hofer.

Konkret sollen besonders die Haupt- und Realschüler nach den Sommerferien die Möglichkeit haben, sich mehrere Stunden pro Woche in diesem Raum zu beschäftigen. Inka Hofer hat dafür das Unterrichtsfeld „My Future“ geschaffen. An Computern, die bis dahin an die Technik angeschlossen sein sollen, können sie im Internet recherchieren, Videos schauen, Aufgaben bewältigen und sie per Beamer anderen präsentieren.

Aber vor allem können sie vor Ort Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen und die unterschiedlichen Berufsfelder kennenlernen. „Das soll alles auf Augenhöhe passieren“, sagte Hans-Jürgen Rook, Prokurist bei JRS Prozesstechnik. Sein Unternehmen aus Schulenburg wolle zukünftig immer wieder eigene Auszubildende an die Schule schicken, um mit Schülern ins Gespräch zu kommen.

Denn die Hemmschwelle sich telefonisch bei einem Unternehmen zu melden und nach den Möglichkeiten einer Ausbildung zu fragen, sei besonders bei Haupt- und Realschülern hoch. „Viele sind es gar nicht mehr gewohnt, mit einem Telefon zu kommunizieren“, sagte Inka Hofer. „Wir üben, was sie sagen sollen, dass sie sich beispielsweise mit ihrem eigenen Namen melden und wie sie sich mit einer Person verbinden lassen“, sagte die Lehrerin. Ihre Hoffnung: „Wenn sich beide Seiten schon kennen, dann sinkt die Hemmschwelle und es kann zu einer Win-win-Situation führen.“

Die beiden KGS-Sozialpädagogen Sylvia Mizera und Andreas Wolf werden zukünftig ihr Büro in der Talent Company einrichten und dort den Schülern zur Verfügung stehen. Für Schulleiterin Mirjam Gerull sind damit „ein paar Jahre Arbeit“ zu Ende gegangen. Im Dezember 2021 hatte die Schule erstmals bei örtlichen Unternehmen für eine finanzielle Beteiligung geworben.

 63.000 Euro waren erforderlich, um die Herrichtung in Kooperation mit der Strahlemann Stiftung zu realisieren. Insgesamt elf Sponsoren mit jeweils etwas kleineren Beträgen kamen dabei zusammen. „Auch das ist außergewöhnlich. An vielen Standorten haben wir einen oder maximal zwei Geldgeber“, sagte Koch. „Das zeigt das besondere Interesse der lokalen Wirtschaft.“

Wer vorab Geld gegeben hat, kann sich an der sogenannten Job Wall ein Jahr lang kostenfrei mit einem großformatigem Plakat präsentieren und auf Ausbildungsplätze aufmerksam machen. Acht Unternehmen nutzen diese Möglichkeit bereits. Wer sonst einen der Plätze nutzen möchte, bezahlt dafür im Jahr 700 Euro. Doch auch eine Ecke für kleinere oder gemeinnützige Betriebe ist vorhanden. Beispielsweise wolle Bad-Geschäftsführer Fred Oeltermann gerne auf freie Stellen im Hallen- und Freibad hinweisen.

Text/Bild: Mark Bode (HAZ)