„Es gibt noch kein Patentrezept“ (HAZ vom 16.02.23)

„Es gibt noch kein Patentrezept“ (HAZ vom 16.02.23)

Pattensen-Mitte. Wie soll Schule mit dem Chatbot ChatGPT umgehen? Stellt die künstliche Intelligenz (KI) eine Gefahr für die Bildung dar? Die Meinungen dazu gehen auseinander, auch an der KGS Pattensen. Viele Lehrerinnen und Lehrer seien dort noch unschlüssig und hätten sich mit dem Thema bislang gar nicht befasst. Das müsse sich aber ändern, weil die Schule nicht die Augen vor Veränderungen verschließen dürfe, sagt der stellvertretende Schulleiter Andreas Ulrich. „Es ist unerlässlich, darüber zu sprechen. Denn das Thema KI wird nicht mehr verschwinden.“ Monatlich wollen sich die Lehrkräfte nun untereinander und mit Schülern zu dem Thema austauschen.

Beim kürzlichen ersten Treffen stellten die Lehrkräfte Ann-Kathrin Giebe und Philipp Sölken den vielfach als revolutionär bezeichneten Chatbot den Arbeitskollegen erst einmal grundsätzlich vor. Die Reaktionen: „Erst Schockstarre, dann kurze Panik. Und dann haben wir gemeinsam überlegt, wie wir damit umgehen können“, sagt Giebe. „Es gibt noch kein Patentrezept“, sagt sie klar. Giebe und Sölken hatten sich speziell zum Thema ChatGPT fortbilden lassen. Deshalb wollen sie nun dem Kollegium die Ängste nehmen und dieses darauf vorbereiten, wie man Schüler schnell entlarven kann, die den Chatbot für die Schule verwenden. „Wir wollen den Blick der Kollegen schärfen“, sagt Sölken.

Die Befürchtungen einiger Lehrer: Schüler könnten ChatGPT zum Erstellen von Hausaufgaben, Referaten und Hausarbeiten nutzen und somit die Arbeit der KI als ihre eigene vorlegen. „Das ist natürlich ein Risiko, wenn Schüler unreflektiert mit dem Chatbot arbeiten“, sagt Giebe. Denn das System ist keineswegs fehlerfrei. „Alles, was mit Quellenarbeit, dezidierter Textarbeit und Zitaten zusammenhängt, dabei versagt das System“, sagt Sölken. Giebe ergänzt: „Es liefert teils falsche Informationen und erfindet Sachen.“

Lehrer hätten die Möglichkeit, die von ihnen gestellten Hausaufgaben selbst durch das Programm beantworten zu lassen. „Es kommt zwar nie exakt eins zu eins derselbe Wortlaut dabei heraus. Aber man kann bei den Ergebnissen durchaus Parallelen zu anderen Antworten erkennen“, sagt Sölken. Zudem seien Lehrer ohnehin geschult darin, wie sie täuschende Schüler erkennen können. Giebe nennt ein Beispiel: Als in ihrem Lateinkurs neulich ein Siebtklässler bei einer Übersetzung ,Bube‘ statt ,Junge‘ geschrieben hatte, sei ihr klar gewesen, dass dieses nicht vom Schüler stammt. „Wir kennen unsere Schüler und kennen ihren Sprachduktus“, sagt Giebe.

Doch pauschal verteufeln wollen sie und Sölken ChatGPT keineswegs. Es biete auch Chancen. „Es eignet sich gut als Anfang, um in ein Thema einzusteigen“, sagt Sölken. Im Geschichtsunterricht habe er die KI deshalb zur Sonderwegsthese befragt. „Da funktioniert es ein bisschen wie Wikipedia“, sagt Sölken. „Es ist ganz sinnvoll, um den Horizont überhaupt erst einmal aufzumachen.“ Bei der Frage nach dem Untergang der Weimarer Republik sei das Ergebnis allerdings auch noch nicht befriedigend. „Man bekommt ein paar Hauptfaktoren, aber es ist noch nicht konkret genug“, sagt der Lehrer. „Es geht nicht so sehr in die Tiefe und bleibt oberflächlich“, ergänzt Ulrich.

Er selbst habe es zum Formulieren eines Erwartungshorizonts genutzt. „Es kann schon eine Entlastung für Lehrer sein. Aber es nimmt mir nicht die ganze Arbeit ab“, sagt Ulrich. Es könne teils das Niveau von eingegebenen Sachtexten für den Haupt- und Realschulzweig anpassen. Auch sprachlich noch nicht ausgefeilte Texte könnten von der KI geglättet werden. Ulrich bezeichnet die KGS als fortschrittliche Schule. Deshalb sei die Bildungseinrichtung offen für den neuen Weg. „Schule ist im Wandel. Wir müssen und werden darauf reagieren“, sagt Ulrich.

Text/Bild: Mark Bode (HAZ)