Man sieht es dem Ort nicht an. Zwischen zwei kleinen Seen gelegen und mit einer Backsteinkirche aus dem 19. Jahrhundert wirkt das Städtchen ganz malerisch, in dem die Schüler*innen der Klassen 9 und 10 ankamen. Doch die 11 Schüler*innen sind nicht wegen der Altstadt nach Fürstenberg an der Havel gekommen. An diesem Ort, ca. eine Zugstunde nördlich von Berlin, hatten die Nationalsozialisten 1939 das Konzentrationslager Ravensbrück errichtet, in dem vor allem Frauen und Kinder inhaftiert worden waren. Insgesamt 130.000 Menschen wurden von 1939 bis 1945 hier festgehalten, 28.000 starben oder wurden ermordet.
Seit Schuljahresbeginn hatten sich interessierte Schüler*innen der Jahrgänge 9 und 10 in der Gedenkstätten-AG unter der Leitung von Ann-Kathrin Giebe und Philipp Sölken auf den Besuch der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück vorbereitet. Nachdem sie sich an einigen Freitagen und Samstagen mit dem nationalsozialistischen Frauenbild und der Judenverfolgung in Osteuropa auseinandergesetzt hatten, ging es für die 11 Schüler*innen vom 24. bis 26. Januar auf die Gedenkstätten-Fahrt nach Brandenburg.
Das Besondere an der Gedenkstätte Ravensbrück: Die Jugendherberge, in der die Schüler*innen übernachteten und aßen, befindet sich in den ehemaligen Häusern der Wächterinnen des Konzentrationslagers. Was zunächst befremdlich klingt, war für die Schüler*innen aber nicht lange seltsam. Durch die Neugestaltung der Räumlichkeiten haftet den Gebäuden nichts mehr von ihrer NS-Vergangenheit an.
Nachdem die Schüler*innen ihre Zimmer bezogen hatten, führte sie der Gedenkstättenpädagoge über einen Teil des insgesamt 170 Hektar großen Areals. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bekamen die Schüler*innen schnell eine ungefähre Vorstellung von den Bedingungen im Lager. Das hier bisweilen 4.000 Inhaftierte, spärlich bekleidet, mehrere Stunden auf dem Appellplatz hatten ausharren müssen – unvorstellbar.
Bewegt von der Größe des Lagers und den Lebensbedingungen arbeiteten die Schüler*innen in den folgenden Workshops vor allem an einer Frage: Was waren das für Menschen? Wer ist hier inhaftiert worden? Und wer hat hier gearbeitet?
Zuerst sollten sich die Schüler*innen auf die Opfer konzentrieren. Nach kurzer Einführung gingen die Schüler*innen durch die Ausstellung und sammelten in Zweierteams Informationen zu Frauen, die im Lager inhaftiert waren. Ihre geschriebenen Info-Kärtchen ordneten sie entlang eines Zeitstrahles an, der im Seminarraum auf den Boden geklebt war. In einem zweiten Schritt stellten sich die Schüler*innen die Biographien chronologisch vor, sodass deutlich wurde, wie die Frauen in den jeweiligen Jahren gelebt hatten und warum sie ins Fadenkreuz des NS-Regimes gerieten.
Danach befassten sich die Schüler*innen auf die gleiche Weise mit den Täterinnen und diskutierten die Frage, wie die Frauen in den KZ-Dienst kamen. Ihr Fazit: Gezwungen wurde niemand. Auch wenn einige Frauen versetzt worden waren, hat es immer die Möglichkeit gegeben, den Dienst zu quittieren, ohne Bestrafung zu fürchten. „Man muss unterscheiden: Es gab keinen Zwang im Konzentrationslager zu arbeiten, wohl aber Druck“, brachte eine Schüler*in das Ergebnis der Diskussion auf den Punkt.
Nachmittags hatten die Schüler*innen Gelegenheit, das Gelernte zu verarbeiten und auf andere Gedanken zu kommen. Spaziergänge, Tischtennisspielen oder die vorhanden Outdoor-Turngeräte boten genug Möglichkeiten, die freie Zeit zu verbringen. Ebenfalls beliebt waren Gesellschaftsspiele im Gemeinschaftsraum. Abends, bei UNO, Tabu und reichlich Knabbereien, konnten alle den Ort, an dem man sich befand, ein bisschen vergessen und mit einem positiven Gemeinschaftsgefühl den Tag ausklingen lassen.
Text/Bilder: Söl/Gie