Leiterin der Ernst-Reuter-Schule sensibilisiert Jugendliche,
ihre Räder ausreichend anzuschließen / Mehr Kontrollen an Abstellplätzen geplant
Pattensen-Mitte. Zielstrebig geht ein Schüler auf sein abgestelltes Fahrrad zu. Er sieht einen kleinen Zettel auf dem Sattel kleben und liest die Zeilen: „Wäre ich ein Dieb, könnte ich es trotz Schloss wegschieben. Vergiss nicht, es klug abzuschließen!“ Ein wenig beschämt schaut er auf den Boden, steckt den Zettel in die Tasche und zieht wortlos davon. „Wir möchten sensibilisieren“, sagt Mirjam Gerull. Die Leiterin der Ernst-Reuter-Schule will mit dieser Aktion schnell einer steigenden Zahl an weggeschobenen Fahrrädern, abmontierten Sätteln und Lichtern oder teils sogar arg demolierten Rädern entgegenwirken.
„Das ist ein Problem“, sagt Gerull. „Das gab es aber auch schon immer und wird es immer geben“, sagt sie weiter. Sie kann es nicht mit Zahlen untermauern, doch die Fälle sollen in jüngerer Vergangenheit deutlich zugenommen haben. Der Schulelternrat brachte das Thema in dieser Woche ebenfalls in einer Sitzung auf die Tagesordnung. Es sei allerdings kein KGS-spezifisches Problem, betont Gerull.
Sie habe mehrere Stufen an Vorfällen ausgemacht. „Das Harmloseste ist, wenn jemand ein nicht
angeschlossenes Fahrrad einfach wegschiebt“, sagt sie. „Es ist zwar auch nervig, aber es kann noch nichts Gefährliches passieren.“ Allerdings nehme sie auch diese Vorfälle ernst. Denn: „Für den Betroffenen ist es nicht witzig. Man denkt, dass das Fahrrad gestohlen wurde und der Schüler oder die Schülerin fängt dann an zu weinen.“
Sättel landen im Gebüsch
Die zweite Stufe sei, wenn nicht fest montierte Lichter oder mit sogenannten Schnellspannern befestigte Sättel entfernt werden. „Die Sachen fliegen teils durch die Gegend und gehen dadurch kaputt“, sagt Gerull. Erst vergangene Woche hatte Hausmeister Alex Riedel mehrere Sättel in Gebüschen im Bereich rund um die Fahrradständer gefunden.
Diesen Formen des Schabernacks und der Sachbeschädigung sei allerdings vorzubeugen, sagt Gerull. „Einige sind gutgläubig und denken, es kommt an der Schule nichts weg“, sagt Jugendbürgermeisterin und angehende KGS-Abiturientin Mila Revink. Um die Schüler darauf hinzuweisen, dass ihr Fahrrad entweder gar nicht angeschlossen, das Schloss nicht mit dem Fahrradständer verbunden und Licht oder Sattel noch befestigt sind, kleben Gerull, Revink und Schülersprecherin Lilli Engelhardt nun eifrig Zettel auf die Räder. „Ich muss
ja nicht noch zum Diebstahl einladen“, sagt Gerull. Sie höre häufig, dass entweder das Schloss vergessen oder das Rad aus Bequemlichkeit nicht gesichert wurde.
Doch es gibt sogar noch ernstere Fälle: Reifen wurden in der Vergangenheit durchstochen oder Kabel abgerissen und teils wieder so angebracht, dass zunächst keine Beschädigung zu erkennen ist. „Das ist lebensgefährlich, wenn plötzlich die Bremse nicht mehr funktioniert“, sagt Engelhardt. Tanja Dietz-Köhler gehört dem Schulelternrat an und berichtet davon, dass ihr Sohn, der die fünfte Klasse besucht, schon mehrfach mit beschädigtem Rad nach Hause gekommen ist. Sie kann sich die Vergehen an den Rädern mit Mutproben in kleinen Gruppen erklären.
Auffällig sei laut der Schulleiterin, dass häufig Schüler der unteren Jahrgänge Schäden verursachen. Gelegentlich werden sie von älteren Schülern oder Hausmeister Alex Riedel auf frischer Tat ertappt. Dann folgen Gespräche und Klassenkonferenzen. „Das wird von uns geahndet und sanktioniert“, sagt Gerull. In den Gesprächen stelle sie sehr oft fest, dass den meisten erwischten Schülerinnen und Schülern gar nicht bewusst ist, was sie angerichtet haben. Die Einsicht sei im Anschluss da. Um solchen Fällen oder möglichen schwerwiegenden Folgen möglichst vorzubeugen, ist Gerull nun aktiv geworden. Die Schulleitung hat verschiedene Zettel angefertigt, die an alle Lehrerinnen und Lehrer verteilt werden. Diese sollen in den Klassen das Thema Vandalismus an Fahrrädern deutlich ansprechen.
Höheres Aggressionspotenzial
Ob die Häufung des Vandalismus auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sei, vermag Gerull nicht eindeutig zu beantworten. „Man kann nicht alles auf Corona schieben“, sagt sie. Dennoch sei bereits in der Vergangenheit – vor der Pandemie – immer in der Vorweihnachtszeit eine Häufung an Schäden festzustellen. „Das Aggressionspotenzial ist höher“, sagt die Schulleiterin. Das erklärt sie mit Notendruck, vielen zu schreibenden Arbeiten, allgemeinem Stress in der Vorweihnachtszeit im Elternhaus, bei Trennungshaushalten sogar noch verschärft.
Problematisch ist laut Gerull, dass der Bereich der abgestellten Fahrräder schwer einsehbar ist. „Das war früher auch schon so“, sagt die Schulleiterin. Sie wolle die Präsenz an Lehrern und Hausmeistern dort möglichst erhöhen.
Dem Elftklässler Enes Cevik ist die Problematik mit den Beschädigungen an Rädern oder dem Diebstahl bekannt. „Ich würde nicht mit einem neuen E-Bike zur Schule
fahren“, sagt der 17-Jährige. Er findet an diesem Mittag ebenfalls einen Zettel auf seinem abgestellten und nicht angeschlossenen Damenrad. „Es ist das Rad meiner Mutter. Ich hatte tatsächlich das Schloss dafür vergessen“, sagt er. Die Aktion findet er „sehr cool“ und ergänzt: „Es kann nicht schaden, bei allen noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, auf sein Eigentum besser zu achten.“
Text/Bild: Mark Bode (HAZ)